Unlauterer Wettbewerb von Kreuzfahrtgesellschaften bei der Nutzung der russischen Visumbefreiungsregeln
In seinem Prospektheft von Anfang 2016 "Erleben Sie Urlaub Neu - 20 Jahre Aida. (Auszug aus dem AIDA Katalog, Zeitraum Oktober 2016 bis Oktober 2017" im A5-Format heißt es auf Seite 9:
Auszeichnungen für ausgewählte Leistungen:
"Deutscher Fairness-Preis 2015 AIDA belegte erneut den ersten Rang in der Kreuzfahrtbranche für Zuverlässigkeit und ein faires Preis-Leistungsverhältnis."
"Service-Champion In Deutschlands größtem Service-Ranking erzielte AIDA den höchsten Wert beim Kundenservice und ging zum fünften Mal in Folge als Sieger in der Kategorie Kreuzfahrenanbieter hervor."
Im Prospekt auf Seite 27 mit der Überschrift "Ausflüge - perfekt organisierte Touren" werden Ausflüge (Landgänge) dargestellt ohne Hinweis darauf, dass oder inwiefern sie von den Kunden extra zu bezahlen sind.
Beim Lesen dieser Seite kann hier leicht der Eindruck entstehen, dass diese Leistungen zur gebuchten Reise gehören, also mit dem Reisepreis bezahlte Inklusivleistungen sind.
Im Text heißt es hier:
"Wählen Sie aus unserem grenzenlos vielfältigen Ausflügen Ihre Lieblingstouren aus und entdecken Sie dabei vielleicht sogar eine neue Sportart für sich. Jeder Ausflug ist perfekt organisiert und wird von unseren erfahrenen Reiseleitern begleitet ..."
Diese Informationen sind meiner Meinung nach und mit den Erfahrungen von dem, was mir Kreuzfahrtbucher erzählten, irreführend.
1) In St. Petersburg werden die Exkursionen, die man sich bei Aida als Kreuzfahrtkunde auswählen kann, von lokalen Fremdenführern geleitet. Das sind nicht die Reiseleiter von Aida, d.h. keine Angestellten von Aida. Das sind Mitarbeiter St. Petersburger Reiseunternehmen oder als Freelancer arbeitende Fremdenführer, die von Petersburger Incoming-Agenturen engagiert werden. Der Text im Heft erweckt einen falschen Eindruck, lässt das Unternehmen größer erscheinen, als es ist. ("Wir haben Reiseleiter auf unseren Schiffen, die die Exkursionen durchführen." Oder: "Wir haben angestellte Reiseleiter in St Petersburg."). Und das ist gewollt: Die Kunden sollen nicht auf die Idee kommen, sich ihre Ausflüge anderweitig zu besorgen, auf dem freien Markt. - Das halte ich für wettbewerbswidrig, denn es ist nach meiner Rechtsauffassung eine Irreführung zur Beeinflussung von Verbrauchern.
Wenn man sich vorstellt, dass es deswegen zu einer Untersuchung käme, müsste sich ein Kreuzfahrt-Unternehmen damit verteidigen, dass man "unsere Reiseleiter" auch sagen kann, wenn man externe, nicht bei sich selbst angestellte Reiseleiter engagiert hat, das man also das "unser" umgangssprachlich benutzt. Aber das würde nicht überzeugen. Denn Freelancer-Fremdenführer haben nicht die Lizenz nach den gesetzlichen Vorschriften zur Regelung der Visumbefreiung, die Gruppen zu führen, von der Stadt St. Petersburg. Die Lizenz haben bestimmte DMC (--> Glossar). Diese können Freelance-Fremdenführer engagieren (Rechtsverhältnis Auftrag) oder haben selbst die lizenzierten Fremdenführer als Angestellte. Die Kreuzfahrtgesellschaften schließen Verträge mit Unternehmen, nicht mit einzelnen freiberuflichen Fremdenführern. Das erklärte mir eine Kollegin in St. Petersburg, mit der zusammen ich meinen Kunden Exkursionen anbiete. Und über die Rechtsstellung der freien Fremdenführer habe ich Informationen auch von russischen Freunden, die sich von einem lokalen DMC haben regelmäßig engagieren lassen, für verschiedene Kreuzfahrtgesellschaften, Aida, Costa und andere.
[Nachtrag, 08.08.2018: Die lokalen Unternehmen jedoch, mit denen die Kreuzfahrtgesellschaften Dienstleistungsverträge schließen, werden von den Kreuzfahrtgesellschaften geheim gehalten. Die Kreuzfahrtgesellschaften bezahlen nicht die Guides, sondern diese lokalen DMCs. Und die suchen sich die Guides aus. Das können aber auch andere DMC, die keine Verträge mit Kreuzfahrtgesellschaften geschlossen haben. Zu solchen habe ich Kontakte. Und so können Sie an gute deutsch sprechende Fremdenführer auch alternativ über andere Kanäle herankommen. Doch die Kreuzfahrtgesellschaften versuchen das zu verhindern, indem sie darüber nicht sprechen, sondern versuchen, die Kreuzfahrttouristen abzulenken und Angst zu machen mit extra Kosten (für Visumbeschaffung). Hier geht die Ablenkung leicht mal in eine Lüge über:]
2) Wenn Gäste von Aida noch diesbezüglich extra bei Aida oder bei dem Reisebüro, welches die Aidareise verkauft, fragen, ob sie sich selbst eine Exkursion organisieren können und in St. Petersburg vom Kreuzfahrtschiff gelassen werden, erhöht sich das Unrecht, wenn sie dann die Auskunft erhalten, dass sie dann aber ein Visum brauchen und die 3-Tage-Visumbefreiungs-Ausnahmeregelung nicht nutzen können. Das erfüllt das Tatbestandsmerkmal einer aggressiven geschäftlichen Handlung im Sinne von § 4a UWG. Und das kam vor. Ich habe so etwas mehrfach von Kreuzfahrtreisenden gehört.
3) Der dritte Kritikpunkt ist: Um sich dem freien Markt zu entziehen, werden die Preise der Exkursionen in den letzten Jahren teilweise (von bestimmten Unternehmen) nicht mehr online auf der Website gezeigt. Der Vorwurf hier lautet also auf Intransparenz. Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) verteidigt die Grundsätze der Preiswahrheit und Preisklarheit, gegen die hier verstoßen wird. Aber ohne Kläger kein Richter.
...
Meine Erfahrungen als Touristiker, als Spezialist für Russland-Reisen:
Es kam schon 2012 vor, dass zu den Exkursionen in Sotschi die Preise vorher, also vor der Bestellung der Kreuzfahrt durch die Touristen/Reisebucher nicht mitgeteilt wurden. Damit waren für diejenigen, die sich anderweitig eine Exkursion/einen Landausflug organisieren wollten, ein Preisvergleich ausgeschlossen und damit erschwert, eine Entscheidung über den Abschluss eines Reisevertrags mit der Kreuzfahrtgesellschaft zu treffen. Wenn man erst mal auf dem Schiff ist, ist es zu spät für die Beschaffung einer Sotschi-Exkursion von Dritten. Dann gibt es nur noch "Friß oder stirb!"
Die Preise müssen aber auch für die Exkursionen schon dann gezeigt werden, wenn es darum geht, die Reise zu buchen. Das verhält sich genauso wie bei der Flugbuchung. Hier ist und war es unlauter, am Ende des Bestellprozesses den Kunden mit neuen Kosten zu überraschen wie Gebühren für die Bezahlung des Flugpreises. Denn damit wird ein Preisvergleich mit Dritten erschwert. Das ist unsportlich. Ich habe darüber in diesem Blog schon mehr fach berichtet, z.B. in dieser Sammlung von Urteilen gegen Fluggesellschaften, z.B. sub 2.1. (Air Berlin).
Es muss in einem Markt faire Spielregeln geben, sonst gewinnen immer die Großen mit dem meisten Kapital. Und das geht dann auch zu Lasten der Verbraucherinteressenten.
(An dieser Stelle könnte ich Erfahrungen von Kreuzfahrtreisenden schildern, z.B. eine Verwandte, die 2013 in St. Petersburg war und eine Kundin, deren Aida-Kreuzfahrtschiff in Sotschi war und die sich, weil es nicht anders ging, mit ihrem Mann aus einer Reisegruppe unbemerkt entfernte, um ihrem Hobby Geo-Caching nachzugehen. Sie hätte einen Guide von mir genommen, der sie während einer individuellen Exkursion hatte in die Nähe des Geocaching-Punktes führen können.)
Diese Täuschungen der Kunden über die Bedingungen für den Landgang sind nach meinem Rechtsverständnis und Gerechtigkeitsempfinden wettbewerbswidrig. Sie benachteiligen zunächst die Wettbewerber, die Exkursionen für St. Petersburg anbieten, zum anderen nehmen sie den Kunden die Möglichkeit, zu vergleichen und sich ein anderes Exkursionspaket zu holen, möglicherweise sogar günstiger.
Ich habe Ende 2015 während einer Werbeveranstaltung der Stadt St. Petersburg für Reisebüros und Journalisten in der Russischen Botschaft in Berlin auf diesen unlauteren Wettbewerb gegenüber einem für Tourismus in der Stadt St. Petersburg zuständigen Mann hingewiesen. Leider ist es Fakt, dass ein Inhaber eines großen DMC in St. Petersburg, der mit Kreuzfahrtgesellschaften kooperiert und von diesem unlauteren Wettbewerb profitiert, in der Stadtverwaltung seine eigenen Interessen mit durchsetzt.
Die Aggressivität von Aida gegenüber Anbietern von Exkursionen / Landausflügen hat es demonstriert mit einer Klage gegen einen Anbieter, die über drei Instanzen bis zum BGH ging - und verloren ging. Heise berichtet in einem Beitrag vom 28.04.2017: BGH: Panoramafreiheit deckt Foto von Aida-Kussmund.
Dem Konkurrenten des Partners für Landausflüge wollte man verbieten, ein Aidaschiff auf seiner Website zu zeigen. Die Richter des BGH (Urteil vom 27.04.2017, Az.: 1 ZR 247/15 - Aida Kussmund) entschieden (und bestätigten Entscheidungen der beiden unteren Instanzen: LG Köln - Urteil vom 4. März 2015 - 28 O 554/12 und OLG Köln - Urteil vom 23. Oktober 2015 - 6 U 34/15), dass das Urheberrecht an einem Logo auf einem Kreuzfahrtschiff (und übrigens auch: auf Bussen) nicht soweit reicht, dass von diesen keine Fotos gemacht und verbreitet werden dürften (zur Pressemeldung des BGH vom 27.04.2017).
https://www.heise.de/foto/meldung/BGH-Panoramafreiheit-deckt-Foto-von-Aida-Kussmund-3698975.html
Eigentlich liegt es doch im Interesse des Unternehmens, wenn sein Logo verbreitet wird. Das dient doch der Marke. Doch Konkurrenten sollen schweigen, traut man eine Verbreitung des positiven Images vielleicht nicht zu. Es gab schon einige Gerichtsentscheidungen, in denen es darum ging, dass große Unternehmen Einzelpersonen oder kleinen unbeachtlichen Mitbewerbern verbieten wollten, öffentlich Kritik zu äußern. Mehrere gingen nach hinten los; es gab dann mehrfach auch Shitstorms im Web und diese Unternehmen bekamen erst dann richtig ein negatives Image (Barbara-Streisand-Effekt). Z.B. in Deutschland Anwaltskanzleien.
(Dank sozialer Medien wie Twitter und Facebook macht aktuell United Airlines (nach dem Erfolg "United breaks Guitars") wieder unfreiwillig Reden von sich in zwei laufenden Shitstorms, mit entsprechenden Boykottaufrufen. Shitstorms können Konzernen in der vernetzten Welt manchmal wirksamer und schneller Grenzen ihres Tuns aufzeigen als Richter.)
Zu Costa
Im Mai 2015 meldete sich eine Kundin M., die mit einem Kreuzfahrtschiff "Pacifica" von Costa Kreuzfahrten nach St. Petersburg reisen wollte. Sie machte eine Anfrage für eine Exkursion Anfang Juni 2015, für sich und noch weitere 7 Personen. Wir wechselten mehrere E-Mails. Sie wollte ein Programm für 2 Tage Aufenthalt in St. Petersburg von mir erstellt haben. Dazu benötigte ich einige Angaben von ihr, z.B. welche Regeln es von der Seite des Kreuzfahrtunternehmens gibt, z.B. wann man abends oder in der Nacht wieder an Bord kommen soll. Eigentlich wollte die Gruppe ja auf einer Bootstour die Weiße Nacht erleben, oder mit Minibus. Die Brücken wurden aber erst gegen 1.00 Uhr nachts geöffnet.
Leider geht das von Seiten der St. Petersburger Behörden nicht. Die Touristen von Kreuzfahrtschiffen müssen vor Mitternacht wieder am Schiff zurück sein. Mehr Freiheiten haben übrigens Gäste, die mit der Fähre kommen (möglich aus Helsinki oder Tallinn). Die dürfen auch an Land im Hotel übernachten, ohne Visum, mit der 3-Tage-Visumsfreiheitsregel.
Die Vertreterin der Gruppe berichtete nun aber am 21.05.2015:
"Ich habe nochmals bei Costa Kreuzfahrten nachgefragt, ob wir wirklich bis spätestens 23.30 Uhr an Bord sein müssen und bei diesem Gespräch wurde mir mitgeteilt, dass ich nur mit einem "richtigen" Visum von Bord gehen kann.
d.h. mit einen Tourticket oder Exkursionsschein das ich ja bei der Passkontolle vorlegen kann, trotzdem nicht von Bord gehen kann, das sind Einreisebestimmungen die die Costa Reederei selbst festlegt.
Verstehen kann ich das nicht, da es ja ganz offiziell auch von den Russischen Behörden akzepiert wird.
Ich habe jetzt nochmals an Costa Kreuzfahrten geschrieben und hoffe, baldmöglichst Anwort zu erhalten."
Dieses Gebahren von Costa Kreuzfahrten halte ich für wettbewerbswidrig. Dem Kunden darf nicht die Möglichkeit genommen werden, ein Tourticket für den Landgang von dritter Seite zu nutzen. Ost Impuls bietet solche Tourtickets individuell Kreuzfahrtteilnehmern an.
Die Kreuzfahrtgesellschaft hat kein Monopol auf die Erteilung der Erlaubnis, russischen Boden betreten zu dürfen. Und wenn sie dem Passagier verbietet, das Schiff zu verlassen, dann ist das möglicherweise eine Vertragsverletzung, denn es wirbt ja explizit mit dem Besuch von bestimmten Ostseestädten, auch St. Petersburg. Und der Preis für die Kabine wird ohne die vom Kreuzfahrtunternehmen angebotetenen Landgänge/Exkursionen in St. Petersburg angeboten. So darf es dem Kunden nicht noch weitere Kosten aufzwingen, wenn er das, was in der Werbung für die Kreuzfahrten versprochen wird, nutzen will, nämlich die Möglichkeit, sich St. Petersburg anzusehen. Man könnte in diesem Gebahren auch eine arglistige Täuschung sehen, die der Passagier eventuell nach § 123 BGB anfechten kann, wenn er nach der Buchung kein Interesse mehr an der Kreuzfahrt haben sollte.
In der Werbung für diese Kreuzfahrt mit St. Petersburg wurde nicht erklärt, dass der Kunde nur vom Schiff gelassen wird, wenn er eine Exkursion von der Kreuzfahrtgesellschaft hinzubucht.
Solche Maschen mit der Werbung gibt es auch in anderen Branchen. Z.B. machen so etwas auch Internetprovider. Z.B. Kabel Deutschland mit seinen speziell präparierten Fritzboxen für den Kabelanschluss bis zur Liberalisierung der Strecke Computer bis Kabelanschluss an der Wand. Ich dachte damals beim Abschluss des Providervertrages (Internet und Telefonie), ich könnte VoiP-Telefonie nutzen, wie bisher beim letzten Internet-Provider. Doch das Kabelmodem wurde mit spezieller Sonderfertigung der Software so eingestellt, dass VoiP-Telefonie mit dritten TK-Dienstleistern wie z.B. Sipgate gesperrt wurde, damit ich auch schon über Kabel Deutschland teurer ins Ausland telefonieren muss. Von dieser Sperre war in der Kabel-Deutschland-Werbung keine Rede gewesen. Es hieß stattdessen, ich habe alle Möglichkeiten mit dem Internetzugang.
(Mit dieser Praxis war dann ab August 2016 - nach harter Gegenwehr von Internetprovidern und ihren Lobbyisten/einem Teil von korrupten Politikern endlich Schluss.)
Wir haben hier also das Problem mit der Zugangskontrolle durch den Konzern, der mit Möglichkeiten hinter der Kontrolle wirbt, die er dann tatsächlich beschränkt bzw. sich extra bezahlen lässt.
Zurück zu der Kundin von Costa:
Ich konnte mir die weitere Arbeit mit dem Angebot, dass ich dabei war für die Kundin (in Kooperation mit Kollegen in St. Petersburg) ersparen, zumal die Kundin einige meiner Fragen nicht beantwortete, die notwendig waren, um das Angebot zu erstellen (Nicht alle in ihrer Gruppe wollten 2 Tage hindurch dasselbe Programm, was die Angebotserstellung aufwändiger machte). Die Kundin unterrichtete mich dann nicht mehr, ob Sie sich noch darum bemühte, ein Zugeständnis von Costa zu erlangen, von Bord gelassen zu werden. Ich hatte sie über meine Rechtsauffassung aufgeklärt und eigentlich schien Sie meiner Auffassung zu sein, denn sie zeigte sich überrascht von der Weigerung von Costa, sie ohne Visum von Bord bis zu der russischen Zollkontrolle vorzulassen.
Zu MSC
MSC steht für Mediterranean Shipping Company und ist ein italienisches Unternehmen und weltweit das drittgrößte Kreuzfahrtunternehmen. 2015 erreichte man fast 200.000 Passagiere aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der Kabine von Eltern reisen Kinder bis 17 Jahre kostenlos mit.
Auf der Website von MSC fand ich am 27.03.2017 bei einer schnellen Recherche eine Passage, die ich für irreführend halte. Beabsichtigt ist es, den Kunden davon abzuhalten, Reiseversicherungen woanders zu buchen. MSC möchte Provisionen mit Reiseversicherungen verdienen.
Da geht es auf der Seite der FAQ (Fragen und Antworten) um Diebstahl und die Haftung dazu:
"Was ist zu tun, wenn mein Gepäck oder sonstige persönliche Dinge verloren gehen?
MSC Kreuzfahrten, seine Mitarbeiter und Vertreter übernehmen keine Haftung für Verlust, Beschädigung oder Diebstahl von Gepäck oder persönlichen Gegenständen der Gäste. Die Verantwortlichkeit von MSC Kreuzfahrten in Bezug auf verlorenes, beschädigtes oder nicht zugestelltes Gepäck wird in dem mit dem Gast geschlossenen Kreuzfahrtvertrag erläutert. Verlust oder Beschädigung von Gepäck oder persönlichen Gegenständen müssen unverzüglich einem Vertreter von MSC Kreuzfahrten mitgeteilt werden. Andernfalls muss eine Versicherung bei MSC Kreuzfahrten abgeschlossen werden."
Quelle: https://www.msc-kreuzfahrten.de/de-de/Kontakt/Faq.aspx
Dieser Werbetext ist aus mindestens zwei Gründen fehlerhaft.
1) Zunächst wird geraten, in Fällen, in denen es einen Diebstahl gab, Kunden noch eine Versicherung abschließen sollen. Keine Versicherung wird für Diebstähle und Verluste zahlen, die vor Vertragsschluss passierten. Möglicherweise liegt die Ursache dieses Fehlers nur in dem Unvermögen, sich deutsch präzise auszudrücken. Um sich dem Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs leichter zu entziehen, würde die Kreuzfahrtgesellschaft vermutlich das behaupten.
2) Die zweite Irreführung ist, dass wenn nicht ein Verlust unverzüglich gemeldet wird, der Kunde bei MSC Kreuzfahrten eine Versicherung abschließen muss. Das ist Unsinn.
Den Text haben anscheinend Rechtslaien geschrieben. MSC steht es nicht zu, Kunden zu drängen, eine Versicherung abzuschließen. Was heißt hier "bei MSC" abschließen?
MSC ist keine Versicherungsgesellschaft, kann also nicht mit Kunden Versicherungsverträge abschließen, deren Inhalt es ist, dass MSC Versicherungsleistungen an Kunden erbringt.
MSC will aber Provisionen durch die Vermittlung von Versicherungsverträgen verdienen und erklärt dem Kunden, er müsse "bei MSC" abschließen. Bei MSC als Vermittler. Das ist klar irreführend. Aus Erfahrung weiß der Autor dieses Artikels, dass viele Menschen in ihren oberflächlichen Denken nicht so scharf differenzieren und blind vertrauen, gerade bei Marken.
Selbstverständlich sind Kunden/Verbraucher rechtlich gesehen frei in ihrer Entscheidung, mit welcher Versicherungsgesellschaft sie Verträge abschließen und ob sie sich eines Vermittlers bedienen. MSC kann auch nicht die Haftung für Verschulden mit der Aussage ausschließen, Kunden hätten keine Versicherung über MSC gekauft, also zur Absicherung von Risiken, die im Organisationskreis von MSC liegen.
Ich kann nur den Ratschlag geben, dem Ansinnen von MSC zu widerstehen. Die rechtlich bestehende Entscheidungsfreiheit wird durch Psychotricks, durch Sprache tatsächlich faktisch entzogen.
3) Der dritte Irrtum, der erzeugt werden könnte, liegt in der Behauptung, MSC hafte (in keinem Falle) für Verluste auf seinen Schiffen, während der von MSC durchgeführten Reisen. MSC kann sich nicht einfach von Haftung freisprechen, die Gesetze und Gerichtsrechtsprechung vorsehen.
Ich habe russische Unternehmen kennen gelernt, die mit den westlichen Kreuzfahrtgesellschaften die dicken Verträge schließen und also kein Interesse daran haben, diese Fälle aufzudecken:
St. Petersburg:
Nika Travel
(drängt Vertragspartner nach Vertragsschluss dazu, Zahlungen ins Ausland, nach Zypern zu leisten, vorbei an russischen Finanzämtern)
Sotschi:
Sochi Holiday
(In 2016 insolvent gegangen).
Marktbeherrschende Stellung der Kreuzfahrtgesellschaften, Aussichten auf Schadensersatz
Gegen diese Praktiken von Konzernen können Touristikunternehmen, die Exkursionen vertreiben, bisher kaum etwas in rechtlicher Hinsicht tun.
Vergleichbare Fälle der Marktverdrängung mit unlauteren Mitteln gibt es auch in anderen Branchen. Gerichtsentscheidungen liegen vor. Das Rechtssystem ist hier nicht effektiv und einmal mehr zeigt sich, dass sich die EU nicht bewährt, weil die Mühlen zu langsam mahlen, weil Lobbyvertreter die Arbeit der EU-Parlamentarier machen.
Doch jetzt soll eine Schadensersatzklage für Opfer von Kartellrechtsverstößen EU-weit eingeführt werden. In ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht 2013-2014 des Bundeskartellamtes vom 15.06.2014 schreibt die Bundesregierung[2]:
"Am 5. Dezember 2014 ist die Richtlinie zu Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union veröffentlicht worden. Sie ist von den Mitgliedstaaten bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie wird nach Einschätzung der Bundesregierung dazu beitragen, dass Unternehmen effektiver Schadenersatzansprüche durchsetzen können, wenn sie Opfer eines Kartellverstoßes geworden sind. Die Bundesregierung hat dieses Anliegen der Europäischen Kommission stets begrüßt und sich intensiv in die Verhandlungen eingebracht.
69. Bislang haben Schadensersatzkläger gegen Kartellanten europaweit mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Durch die Richtlinie wird den Geschädigten u.a. der Zugang zu Beweismitteln erleichtert, die sie zum Nachweis des erlittenen Schadens benötigen. Die Richtlinie sieht auch eine längere Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Forderungen vor. Weitere Elemente der Richtlinie, wie z.B. die Bindungswirkung von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten, finden sich bereits heute im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen."
Ich schätze, dass es keinen mittelständischen Reiseveranstalter und kein Reisebüro aus dem Bereich KMU geben wird, welches es für verhältnismäßig hält, die Risiken einer Klage gegen die hier beschriebene Praxis der Kreuzfahrtgesellschaften auf sich zu nehmen.
Bevorzugung des Kreuzfahrtunternehmens gegenüber lokalen DMC durch Museen
Im April 2017 hörte ich, dass MSC-Gäste die Möglichkeit haben, an Exkursionen, die von MSC angeboten werden, teilzunehmen, die nach Puschkin zum Jekaterinpalast (mit Bernsteinzimmer) führen - an einem offiziellen Museumsschließtag. Meiner Kooperationspartnerin erhält aber keine Möglichkeit, Kreuzfahrtgäste am gleichen Tag jetzt im Frühjahr dorthin zu bringen. Wenn also selbst hier Kreuzfahrtgesellschaften eine bevorzugte Behandlung gegenüber anderen Mitbewerbern im Incominggeschäft St. Petersburgs erhalten, steht der Verdacht, dass ihre Lobby Einfluss im Stadtparlament von St. Petersburg bzw. Entscheidungsträgern nimmt. Ich weiß einen Inhaber eines größeren Petersburger DMC, der bei der Stadt St. Petersburg die Tourismuspolitik mitbestimmt. Man müsste herausfinden, ob zufällig sein Unternehmen mit MSC kooperiert. Ich vermute es.
Kreuzfahrtgäste können sich vertrauensvoll an Ost Impuls wenden und mitteilen, wann sie an Exkursionen an Montagen, Dienstagen oder am Ende eines Monats teilgenommen haben, damit weiter untersucht werden kann, welche Kreuzfahrtgesellschaften Sonderbehandlungen von der Stadt St. Petersburg oder der Nachbarstädte Puschkin, Pawlowsk, Peterhof, Gatschina, Oranienbaum, erhalten.
Rechtsfragen
Rechtlich relevant ist hier zunächst einmal die EG-Verordnung 864/2007 des EU-Parlaments vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II").
In Kapitel II (Unerlaubte Handlungen) ist der unlautere Wettbewerb und den freie Wettbewerb einschränkendes Verhalten in Art. 6 geregelt.
"(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden.
(2) Beeinträchtigt ein unlauteres Wettbewerbsverhalten ausschließlich die Interessen eines bestimmten Wettbewerbersr, ist Artikel 4 anwendbar.
(3)
a) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird.
b) ..."
Im Sinne von (3) a) ist hier der deutsche Markt betroffen.
Nach deutschem Recht ist das Verhalten der Kreuzfahrtgesellschaften insbesondere am Maßstab der §§ 3, 4a, 5, 5a UWG (Verbraucherschutz zu prüfen und § 4 Nr. 4 UWG (gezielte Behinderung von Wettbewerbern).
Gerichtsentscheidungen zu dem hier besprochenen Thema sind mir noch nicht bekannt. Aber im Bereich Tourismus wird allgemein viel getäuscht und enttäuscht. Das ist ein Thema für Verbraucherschutzbehörden. Was ich hier besprochen habe, gehört auch zu der Themengruppe "Werben mit zu niedrigen Preisen", dort, wo mit St. Petersburg geworben wird, der Kunde dann aber nach Buchung der Reise noch Exkursionen von der Kreuzfahrtgesellschaft kaufen soll und ihm nicht erklärt wird, dass er Exkursionen auch woanders erhalten kann, ohne sich ein Visum beschaffen zu müssen. Siehe zur Fallgruppe der Preistäuschungen und weiteren Produktfalschbeschreibungen den Beitrag auf Heise vom 07.04.2017 Irreführung auf Reiseportalen - Verbraucher schicken 235 Betreibern Mahnbriefe. Die Verbraucherschützer sollten auch einmal die Kreuzfahrtgesellschaften mit ihren Websites genauer unter die Lupe nehmen.
[Ergänzung, 12.05.2018: Was Sie als Verbraucher tun können
Wenden Sie sich an eine Verbraucherschutzorganisation, die Unterlassungsklagen gegen diese Konzerne einlegen kann:
Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e. V.
Maisacher Straße 6, 82256 Fürstenfeldbruck, E-Mail: info@verbraucherschutzverein.org, Tel.: 0841/ 8 28 10 30, www.verbraucherschutzverein.org]
[Nachtrag, 28.11.2018:
Die Verbraucherverbände sind gemäß § 8 III Nr. 3 UWG nicht auf die Verfolgung von Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 UKlaG beschränkt, sondern zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen berechtigt, soweit diese Verbraucherschutzinteressen beeinträchtigen und die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbands gedeckt ist (BGH NJW 2016, 1015, 1016, unter Hinweis auf BGH NJW 2012, 1812 = GRUR 2012, 415 - überregionale Klagebefugnis). Zudem enthält § 2 II UKlaG keine abschließende Aufzählung der Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 I UKlaG (BGH a.a.O, Köhler in Köhler/Borkamm, § 2 UKlaG, Rn 10). Zu den Verbraucherschutzgesetzen dieser Bestimmung gehören deshalb - ungeachtet ihrer fehlenden ausdrücklichen Nennung - auch die dem Schutz der Verbraucher vor Beeinträchtigungen ihrer Entscheidungsfreiheit dienenden Vorschriften des Preisangabenrechts (OLG Frankfurt aM, OLG-Report 2008, 640, 641; LG Rostock, RRa 2012, 201, 202 = BeckRS 2012, 16099 mwN).]
Vorbildlicher Hinweis auf örtliche Reiseveranstalter
Kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels finde ich jetzt noch (01.05.2017) auf der Website der TUI Cruises den Hinweis darauf, dass die Exkursionen nicht von TUI organisiert werden, sondern von örtlichen Veranstaltern, die bei Buchung der jeweiligen Exkursion Vertragspartner der Kreuzfahrtreisenden werden und von denen man bereit ist die Kontaktdaten herauszugeben:
https://tuicruises.com/landausflugsveranstalter/
(Herauszugeben - an die, die die Reise gebucht haben, nicht einfach an Wettbewerber; oder?)
Fußnoten:
1) Quelle: Russland Aktuell, Artikel vom 22.09.2008.
2) Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Drucksache 18/5210 sub III. Europäische Wettbewerbspolitik, a)
Beginn mit dem Artikelentwurf: 21.05.2016
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