"Das ist ein Armutszeugnis. Nicht nur für die russischen Biathleten, sondern auch die ganze russische Nation." ist eine Reaktion in den Medien auf die Mitteilung heute, dass auch die B-Doping-Proben der Spitzen-Athleten Jaroschenko, Juriewa und Achatowa positiv sind. Die Proben sind beim Weltcup-Auftakt in Östersund abgenommen worden und weisen EPO-Doping nach. - Wieder so eine von Aversion getriebene Übertreibung. Wer die russische Nation für diese Schummeleien
verantwortlich machen will, sucht Gründe, Hass gegen Russland zu schüren oder muss schon sehr debil sein.
Ebenso ließe sich sagen: "Ein Armutszeugnis. Nicht nur für die deutschen Radsportler, sondern auch die ganze deutsche Nation." - Wo wir doch eine Reihe
von überführten deutschen Radsportlern letztes Jahr hatten, die gedopt haben.
Auch mehrere Jahre nach der DDR haben bundesdeutsche Sportler gedopt, nicht nur im Radsport; z.B. auch in der Leichtathletik, Stichwort Langlauf. Also ehrlich, das überrascht mich jetzt nicht. Das habe ich mich schon immer wieder gefragt, ob die russischen Athleten bei so einer so geschlossenen Mannschaftsleistung denn nicht gedopt sein müssen. Andere Biathleten waren ja schon in der vorigen oder schon der laufenden Saison überführt worden, so weit ich, ohne jetzt googeln zu wollen, mich erinnere, darunter auch eine Ukrainerin und eine aus Sportlerin aus Bulgarien oder Rumänien.
Es gibt Sportarten, da kann ich mir allerdings kaum vorstellen, dass Dopingmittel einen Vorteil verschaffen können. Zum Beispiel Turmspringen!? Aber ach so: man muss unterscheiden, zwischen dem Vorteil direkt für den Wettkampf und dem in der langen Vorbereitungszeit, Muskelaufbau. Regeneration nach Krankheit (so bei Jurjewa, meinte Katharina Neuner letztens im Focus-Interview).
Wer sich dafür interessiert, in welcher Weise der Sport allgemein verseucht ist von Schummeleien - nicht nur Doping, auch Bestechung von Schiedsrichtern (Eiskunstlauf), kann sich in Jürgen Roths Buch: "Die Gangster aus dem Osten. Neue Wege der Kriminalität" einige Beispiele zeigen lassen. Und nach seinem Buch gab es in Deutschland die Bestechungsskandale im Handball und Fußball.
Es gibt Parallelen in anderen Lebensbereichen: Eurovision Song Contest. Ist das ein fairer Song-Wettstreit? Gehen wir in die Wirtschaft, stoßen wir auf Wirtschaftsspionage, auch staatlich unterstützt, ob nun in Russland oder den USA. Nur wir Deutschen haben anscheinend mehr moralische Bedenken. - Dafür haben wir auch allgemein die höchste Anerkennung in der Welt, nach dem kürzlich veröffentlichten Ergebnis einer internationalen Befragung. In den deutschen Medien ist zugleich aber gerade Russland als Verlierer gegenüber der letzten Umfrage hervorgehoben worden, als wäre da Schadenfreude der Journalisten dabei.
Ich habe meine Zweifel, ob Deutschland wirklich hier auf Platz 1 gehört. Schweden und Norwegen sind gar nicht dabei, auch nicht die Niederlande. Auch nicht Mauritius und andere schöne Inselstaaten, auf denen die Gewinner der jetzigen Weltwirtschaftskrise den Winter dieser Krise verbringen. Auf denen wir, die Bittsteller bei den Banken, auch gern leben und arbeiten (als Schriftsteller, Trainer einer Surf- und Segelschule, Weinbauer, Fotograf) würden. Und was ist mit den Kanalinseln?
Jetzt macht die Runde, dass Sportteams überlegen, ob sie den Biathlon-Weltcup in Chanti Mansiesk (Sibirien) im März boykottieren sollen. - Aber warum denn nicht gleich jetzt boykottieren. Fängt doch gerade die Weltmeisterschaft in Pyeongchang in Südkorea an. Die haben sowieso kaum noch Schnee und dazu stürmisches Wetter (nicht gut für das Schießen beim Biathlon). Lasst das doch ins Wasser fallen! Was soll man sich da noch so einen abquälen für einen Sport, in dem geschummelt wird? Als Organisator abquälen, meine ich. Die Chinesen haben sich letztendlich auch umsonst gemüht, sich mit der Sommer-Olympiade toll zu präsentieren. Naja, die Schuld lässt sich nicht den Sportlern zuschieben, die zu Gast waren.
Am besten, wir (die Westeuropäer) machen jetzt eine Pause und kehren in uns und denken darüber nach, warum wir uns nicht scheuen, uns vor den anderen Nationen zu blamieren. Frankreich soll den Anfang machen! Gönne den Tschechen doch auch in dieser Wirtschaftskrise, dass sie ihre Skodas bei Dir verkaufen können, zu fairen Marktbedingungen. Mache es wie wir Deutschen - mit unserer Abwrackprämie. Davon haben auch ausländische Hersteller was.
Oder was ist dran an so protektionistischen Subventionen? Ist das Szenario schon im deutschen Wirtschaftsministerium durchgespielt: Milliarden an deutsche Unternehmen vom deutschen Staat dafür, dass sie Werke in Asien wieder schließen und in Deutschland wieder aufmachen? Moralische Bedenken wegen Wettbewerbsverstößen? Sind es diese oder lohnt es sich wirtschaftlich gar nicht, zu versuchen, den deutschen Verkäufermarkt zu schützen?
Ich schlafe schon halb, phantasiere schon... Gute Nacht!
Nachtrag 1.3.2009
Dmitrij Medwedjew hat sich während der WM in Südkorea per SMS beim schwedischen Team gemeldet, berichtet die Süddeutsche am 20.2.2009. Das schwedische Biathlon-Team sah sich Morddrohungen aus Russland ausgesetzt, die wahrgemacht werden sollten während der Zeit des Weltcups in Chanty Mansijsk, weshalb das skandinavische Land erst gedroht hatte, das Weltcup-Finale zu boykottieren. In seiner SMS an den Sportler Mathias Nielsen verspricht der russische Präsident, hart gegen Doping in Russland vorzugehen.
Das ist eine klare Ansage, deren Inhalt eigentlich selbstverständlich ist - sein sollte, wenn man sich nicht von Vorurteilen gegen Russland leiten lässt. Russland erlebte mit seiner Sommer-Olympiade 1980 einen Boykott westlicher Länder. Sie werden sich bemühen, keine Nation die Teilnahme an der Winter-Olympiade 2014 in Sotschi zu vergraulen. Sie wollen auch sicher nicht in die Fußstapfen von China treten, dessen erster Rang im Medaillenspiegel der Nationen einen schalen Beigeschmack hinterlassen hat, was das Thema Doping betrifft.
Nachtrag 8.2.2010
Jetzt stehen die Winterspiele in Vancouver vor der Tür. doch das Thema Doping russischer Wintersportler ist doch nicht vom Tisch. Deutschlandradio berichtete gerade (vor zwei Wochen) über eine besorgniserregende Zahl von Dopingfällen in Russland. Tja, da ist zuviel Sand im Getriebe. Medwedjew kann offenbar doch nicht aufräumen unter den Sportapparatschiks. Und wegen der mangelnden Selbstkontrolle oder Selbstreinigung des Systems laufen die Versprechen einiger weniger Besserungswilliger zur Besserung wieder leer. - Aber warum sollte man hier auch mit größeren Erfolgen rechnen als bei Obama, der seine Wahlversprechen gegen eine starke Phalanx von konservativen Republikanern durchsetzen muss, was ihm meistens misslingt.
Es ist wirklich auffällig ruhig, was die Winterolympiade in Vancouver angeht, so wenig Aufmerksamkeit in den Medien.